„Eigene Rechenkapazitäten und KI-Initiativen in Europa“
Ein Meilenstein für die deutsche Digitalpolitik: Erstmals bündelt ein eigenes Bundesministerium zentrale Kompetenzen zur Digitalisierung. Warum es höchste Zeit für den Schritt war, erklärt Kristina Sinemus, Hessens Ministerin für Digitalisierung und Innovation, in dieser Folge des F.A.Z. KI-Podcasts. Wo aktuell beispielsweise bürokratische Prozesse zwischen zu vielen Ministerien und Stellen verteilt sind, müssten wir jetzt „in der Verwaltungsdigitalisierung in eine andere Systematik kommen und […] einen Paradigmenwechsel einläuten, nämlich mehr in Zentralisierung und Standardisierung gehen”, sagte Sinemus. Nur so könne es gelingen, im Konzert zwischen Bund und Ländern tatsächlich eine neue Dynamik zu entwickeln.
Den Weg zur Konkurrenzfähigkeit im KI-Wettlauf könne Deutschland dennoch nicht allein schaffen – im Gegenteil: Wer Digitalisierung politisch voranbringen wolle, müsse nicht nur national denken, sondern auch europäisch handeln. Sinemus macht deshalb deutlich, wie wichtig es für uns sei, digitale Souveränität in Europa zu stärken - durch eigene Rechenkapazitäten, gemeinsame KI-Initiativen und den Mut, bestehende Regelwerke weiterzuentwickeln. So sei sie beispielsweise offen dafür, die viel-kritisierte Datenschutzgrundverordnung DSGVO einmal auf europäischer Ebene zu novellieren: „Ich bin der Meinung, dass wir das Thema Datenschutz nochmal angehen müssen und nicht Datenschutz, sondern eher Daten-Nutzungsstrategien fahren sollten”, fordert Sinemus. Die DSGVO lasse zudem „ein paar Rechtsräume, die man durchaus interpretieren kann – und die müssen wir schließen”.
Gleichermaßen sieht die Ministerin auch im EU AI Act eher eine Chance als eine Hürde, vorausgesetzt, er werde innovationsfreundlich umgesetzt. Entscheidend sei eine Balance zwischen Schutz und Innovationsoffenheit – Anwendungen in Bereichen mit höchstem Risiko wie beispielsweise Systeme zur sozialen Bewertung zwar zu verbieten, für die weniger riskanten Bereiche aber “eine Nutzenkultur, eine innovationsfreundliche Umsetzung des AI Acts auf den Weg [zu] bringen”.
Auf Landesebene zeige sich darüber hinaus, wie KI ganz konkret zur Verbesserung staatlicher Strukturen beitragen kann, zum Beispiel beim Abbau von Bürokratie. „Wir sind wirklich privilegiert hier in Hessen, dass unser Ministerpräsident nicht nur entschieden hat, ein Digital- und Innovationsministerium einzurichten, sondern auch eines für Entbürokratisierung und Staatsmodernisierung". Gerade die Verbindung von Digitalstrategie und Verwaltungsmodernisierung biete enormes Potenzial: KI könne helfen Prozesse effizienter zu gestalten, Routineaufgaben zu automatisieren und Mitarbeitende zu entlasten. Ministerin Sinemus nennt dabei auch konkrete KI-Anwendungen, wie beispielsweise ein System im Bürgerbüro Offenbach, das Kfz-Anmeldungen übernehmen kann. Ziel sei es, Verwaltungsdienstleistungen nicht nur schneller, sondern auch bürgernäher und nutzerfreundlicher zu machen – und so einen echten Kulturwandel im Behördenalltag anzustoßen. Dabei gehe es laut Ministerin Sinemus nicht nur um Technik, sondern auch um Werte: „Am Ende ist es immer der Mensch, der entscheidet“.
Die Folge ist Teil unseres Podcasts „Künstliche Intelligenz“. Er geht den Fragen nach, was KI kann, wo sie angewendet wird, was sie bereits verändert hat und welchen Beitrag sie in der Zukunft leisten kann. Hosts des Podcasts sind Peter Buxmann, Inhaber des Lehrstuhls für Wirtschaftsinformatik an der TU Darmstadt, und Digitalwirtschaft-Redaktionsleiter Holger Schmidt. Die Podcastfolgen erscheinen jeweils am ersten Mittwoch im Monat.
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